Faszination Rap: Reime in Raptexten, 1. Teil

Von Sergio Valletta González

Für viele Menschen steht Rap für nichts weiter als das sinnfreie Aufzählen berühmter
Designermarkennamen oder Drogenverherrlichung. Wenn man sich nur oberflächlich damit
beschäftigt (oder einfach kein Nerd ist, so wie ich, aber ich schweife ab), mag das auf den ersten Blick auch so wirken. Taucht man jedoch tiefer in die Materie ein und untersucht oder beschäftigt sich tiefgreifender mit dem rein formellen Aufbau eines Raptextes, desto mehr muss man zu seinem Erstaunen feststellen, dass deutlich mehr dahintersteckt als ein bisschen „Gucci Gucci“ und „Koks“.

Erst einmal zu mir: Ich beschäftige mich inzwischen schon seit knapp 7 Jahren mit Raptexten und schreibe hin und wieder aus Langeweile selbst welche. In dieser Zeit habe ich viel gelernt und tue es immer noch und würde ich jetzt alles, was ich in dieser Zeit aufgeschnappt habe, hier genauer behandeln, wären wir übermorgen noch nicht fertig. Beginnen wir also klein.

Wenn ich versuche jemandem zu erklären, wie ein Raptext aufgebaut ist, beginne ich immer
folgendermaßen: Ich bitte mein Gegenüber darum, mir eine simple, selbstausgedachte Line (=eine „Zeile“, bestehend aus einem Aufbau und einer abschließenden Pointe) vorzutragen. Dabei stößt dieser oftmals schon bei einer der grundlegendsten Sachen in einem Raptext auf Schwierigkeiten: dem Reim.

Und darum soll es heute gehen. Reime sind nämlich schon was Faszinierendes. Spätestens seit dem Deutschunterricht in der Grundschule wissen wir, was ein Reim ist. Ist man auf dem Gymnasium, muss man sich auf dem Weg zum Abitur mit einer Vielzahl von Gedichten und sonstigen lyrischen Werken genauer auseinandersetzen und auch da stößt man durchaus auf Reime und Reimschemata.
Im Duden wird ein Reim wie folgt definiert: Ein Reim besteht aus „gleich klingenden [End]silben
verschiedener Wörter am Ausgang oder in der Mitte von zwei oder mehreren Versen/Zeilen“. Also auf gut Deutsch gesagt: „Haus“ reimt sich auf „Maus“, „Buch“ auf „Tuch“, „Eis“ auf „heiß“ und so weiter. Ist ja alles schön und jut, aus Rapsicht aber eher nich´ so. Im Hip-Hop-Jargon bezeichnet man diese dudenesken Reime als „reine Reime“ oder oft auch abwertend als „Haus-Maus-Reime“und dementsprechend versucht ein guter Rapper, sich von diesen fernzuhalten. Sie sind nämlich leicht zu finden und könnten so implizieren, dass der Rapper kein ausreichendes Sprachrepertoire besitzt, um seine Texte auszuschmücken. Viel besser sind „Halbreime“, also Assonanzen. Das sind Reime, bei denen sich nicht unbedingt die ganze Silbe mehrerer Wörter gleich anhören muss (Silben sind rot markiert: verhöhnt schön), sondern lediglich die Vokale (Vokale sind rot markiert: Bruch – Schluss; Fenster – schlechter). Der Grund, warum man im Rap (und auch in anderen Musikgenres) vor allem Assonanzen statt reiner Reime verwendet, ist, dass man so mehr Möglichkeiten und damit einhergehend auch deutlich mehr Freiraum bei der Gestaltung seines Textes hat. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Rap immer noch Musik ist, welche weitestgehend über das Ohr konsumiert wird. Es hört sich einfach besser an, wenn Vokale gleich klingen.

Musik ist aber auch Kunst, weshalb man beim Ausüben dieser auch nie aufhören sollte, kreativ zu sein und so verhält es sich auch mit Raptexten. Angenommen man hört sich einen Song mit einer Laufzeit von drei Minuten an, voll mit irgendwelchen Zeilen, bei denen sich die Vokale der Endsilben gleich anhören. Wär´ doch echt langweilig sowas. Und so bedienen sich Rapper verschiedenster Stilmittel, um den Zuhörer bei Laune zu halten. Natürlich geht das auch über den musikalischen Weg, indem man beispielsweise eine gute Gesangsstimme hat, aber es gibt eben auch die Möglichkeit, seinen Text umfassend zu „dekorieren“, wie ich immer zu sagen pflege. Eins der wichtigsten Stilmittel wäre hier der sogenannte „Doppelreim“ oder auch einfacher: der „mehrsilbige Reim“.

Wie vorher bereits erwähnt, tief im Inneren möchte jeder Rapper doch nur irgendwie beweisen, dass er einen ausgeprägteren Wortschatz als andere Rapper hat, im Prinzip ist das alles competition. Es wäre doch langweilig, immer nur Wörter wie „Angst“ und „Bahn“ aufeinander zu reimen. Besser wäre doch „Angsthase“ auf „Fahrbahnen“. Oder „Siebensitzer“ auf „Krisenstifter“. OK, ich geb´s zu, das sind keine Wörter, die man irgendwie in einem coolen Kontext zueinander in einem Rapsong verwenden würde, aber das Prinzip sollte klar sein. Bei einem mehrsilbigen Reim haben wir mehrere Vokale (im besten Fall mehr als zwei), welche gleich klingen und direkt aufeinanderfolgen. Letzteres ist insbesondere für das Klangerlebnis wichtig, aber ich verdeutliche das lieber mit einem Beispiel. Kommen wir zurück zu unserem Angsthasen. Im Wort „abgefahren“ stecken beispielsweise theoretisch schon drei Vokale, welche mit denen des Angsthasen übereinstimmen (also die zwei as und das e), allerdings stört diese „-ge-„-Silbe irgendwie, zumindest rein akustisch. Man spricht da von „einer Silbe/ einem Vokal“ zu viel. Darauf sollte man also unbedingt achten.

Es gibt außerdem weitere Besonderheiten bei mehrsilbigen Reimen. Es ist zum Beispiel viel
angesehener, Nomen aufeinander zu reimen, als Verben, Adjektive oder sonstigen Wortarten. In den oben erwähnten Beispielen habe ich sogar nur Nomen verwendet (man bezeichnet diese Reime genauer als sog. „Nomenreime“ oder auch „Substantivreime“). Aber Vorsicht: Ein Reim ist nicht automatisch besser oder schlechter, wenn Nomen verwendet werden. Generell ist im Rap immer darauf zu achten, dass ein gewisses Maß an Sinnhaftigkeit gewahrt wird, und dasselbe gilt auch für die Reime. Achtet man bei einem Reim nicht darauf, so spricht man von einem „Zweckreim“ (=ein Reim, der nur dem Zweck dient, dass es sich eben reimt). Allgemein ist ein Rapper nicht gleich dumm und ungebildet, wenn er keine mehrsilbigen Reime benutzt, es gibt wie bereits erwähnt sehr viele Methoden und Stilmittel, mit denen man sein Können und seine lyrische Finesse unter Beweis stellen kann. Aber dazu kommt in einem anderen Beitrag mehr, das würde sonst wirklich den Rahmen
sprengen.

Abschließend lässt sich sagen, dass jeder seine Musik so genießen kann, wie es für ihn/sie am besten passt. Man kann auch ohne dieses Wissen Rapfan sein und umgekehrt. Trotzdem ist das ein spannendes Feld, über das mehr gesprochen werden sollte. Es wird ein weiterer Beitrag auf diesen hier folgen, in welchem über weitere textliche Feinheiten in Raptexten geredet wird. In dem Sinne, bis zum nächsten Mal!

Teil 2 findet ihr hier : https://xn--schlerzeitung-fag-42b.com/faszination-rap-reimschematain-raptexten-2-teil/